Mittwoch, 18. Juni 2008

Bürger des Nikolaiviertels ...


... wollen historische Brücke zurück

Der Senat plant den Abriss und modernen Neubau der Rathausbrücke - dagegen formiert sich immer breiterer Widerstand



Mitte. Wer heute über die Rat­hausbrücke geht, wird an ihr nichts besonderes finden. Sie stellt eine Behelfsbrücke aus dem Beginn der 50er Jahre dar. Im Herbst nun will die Senats­verwaltung für Stadtentwick­lung die marode Verbindung zwischen Nikolai viertel und Schlossplatz abreißen und durch eine Neue ersetzen lassen.

Da mag es etwas befremdlich erscheinen, dass am vergange­nen Donnerstag Anwohner und Gewerbetreibende in Person des Geschäftsmannes Martin Boettcher im Abgeordnetenhaus ei­nen Protestbrief an Senatorin In­geborg Junge-Reyer überreicht haben. Auch die Gesellschaft Historisches Berlin (GHB) will ver­hindern, dass der 1999 prämier­te Entwurf des Architekten Wal­ter A. Noebel umgesetzt wird. Im Dezember hat die GHB ein Volksbegehren gegen die Pläne des Senats gestartet. „Kaum ei­ner weiß heute noch, dass die Rathausbrücke, die früher Lange Brücke hieß, einst als schönste Brücke der Stadt galt", sagt die GHB-Vorsitzende Annette Ah­me. „Historisch und kunstge­schichtlich ist sie sogar ver­gleichbar mit der Karlsbrücke in Prag." Denn die Lange Brücke - erbaut im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts - war die erste Steinbrücke nicht nur Berlins, sondern der gesamten Mark Brandenburg.

Auch Petra Müller, Stadtführe­rin und Bewohnerin des Nikolai­viertels hat recherchiert: 1701, kurz nachdem er sich im fernen Königsberg selbst gekrönt hatte, ritt Friedrich I. nun als erster Kö­nig von Preußen über die Lange Brücke zum Schloss. Es war ein Triumphzug. Und schon damals
ritt er an dem kunsthistorisch bedeutendsten Reiterstandbild nördlich der Alpen vorbei: an ei­ner Bronze vom Großen Kurfür­sten, die die Lange Brücke zier­te. Der frisch gebackene König hatte das Standbild 1697 selbst in Auftrag gegeben, um seinen Vater zu ehren. Entworfen hat es Andreas Schlüter, der später auch den nach ihm benannten Schlüterhof im Schloss errichten ließ. 1884-96, also 200 Jahre später wurde die Lange Brücke zwar noch einmal umgebaut, hat aber ihr Aussehen behalten.

Während die Brücke im Krieg zerstört wurde, konnte das Rei­terstandbild aus der Spree ge­borgen werden. Heute steht es im Schlosshof von Charlotten­burg. „Eine moderne Brücke wie die von Walter Noebel würde das historische Gesamtbild mit zukünftigem Schloss, Berliner Dom, Nikolaiviertel und der äl­testen Kirche Berlins unverzeih­lich stören", argumentiert Petra Müller.

Die CDU hat nun einen An­trag im Abgeordnetenhaus ein­gereicht, um das alte Bauwerk samt Reiterbild wieder herzu­stellen. Auch einige Abgeordnete der SPD sind inzwischen für die historische Variante. Allerdings steht das Thema erst nach der Sommerpause auf der Tagesord­nung des Berliner Parlaments. Die GHB will darum das Volks­begehren nicht weiter vorantreiben und konzentriert sich nun auf die parlamentarische Dis­kussion.
Immerhin ist es noch nicht zu spät. Die europaweite Ausschrei­bung steht noch aus, historische Bauzeichnungen sind noch vor­handen. Doch soll die neue Brücke - egal ob historisch oder modern - auf alle Fälle dem Schifffahrtsverkehr auf der Spree gerecht werden und keine Fundamente im Wasser erhalten. Das würde aber bedeuten, dass aus statischen Gründen auf das Reiterstandbild verzichtet wer­den müsste.
Petra Müller sieht das anders: „Der Umbau von 1894 bis 1896 mit seinen drei Bögen wurde den aktuellen Erfordernissen des Personen- und Gütertransports zu Wasser durchaus gerecht. Sie bot schon damals zahlreichen Schiffen Durchlass."

...schreibt dvs im Berliner Abendblatt am 18.6.2008

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen