Donnerstag, 22. Januar 2009

Gespann - Bausenatorin Frau Junge-Reyer und Senatsbaudirektorin Frau Regula Lüscher

Presseerklärung der Arbeitsgruppe Rathausbrücke im Nikolaiviertel
zum neuesten Dokument der Mißachtung der Identität der Stadt sowie der Würde ihrer Denkmäler und ihrer Geschichte durch die Senatorin, Frau Junge-Reyer sowie deren Senatsbaudirektorin, Frau Regula Lüscher

Schon öfter einmal wurde die Vermutung geäußert, daß die neue Senatsbaudirektorin, die aus Zürich kommt, nicht angemessen mit den Berliner Problemen umgehen kann. Nun wurde der Umgang mit Berliner Geschichte und Berliner Baudenkmälern auf die Spitze getrieben: Frau Lüscher und mit ihr die Senatorin, Frau Junge-Reyer, erklären allen Ernstes, daß sie es für erwägenswert halten, aus dem Flughafengebäude und -gelände ein "Rotlichtviertel" zu machen.

Dazu ist zu sagen, daß schon vor langer Zeit darauf hingewiesen wurde, daß der beste Schutz für das denkmalgeschützte Flughafengebäude natürlich die Nutzungskontinuität wäre bzw. gewesen wäre. Immerhin handelt es sich – weltkulturerbeverdächtig – um den ersten Flughafen der Welt, und es handelt sich um das seinerzeit größte Gebäude der Welt. In Berlin wurde die Luftfahrt erfunden, das Gebäude legt würdiges Zeugnis von der weltumspannend bedeutenden Geschichte Luftfahrt ab. Einen solchen Vorschlag ("Rotlichtviertel") auch nur in ernsthafte Erwägung zu ziehen, zeugt von einer völligen Respektlosigkeit gegenüber dem Denkmal und der Wirtschafts- und Technik-Geschichte sowie der Berliner Nachkriegsgeschichte (Blockade), für die dieses steht.

Hier ein Zitat aus dem Text der gestrigen Morgenpost:
"Am Vortag waren die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs "Columbiaquartier" zur Zukunft von Tempelhof in der ehemaligen Abflughalle präsentiert worden. Wowereit hatte die Ausstellung eröffnet - offenbar in Unkenntnis vom Vorschlag Nummer 1281. Diese Idee sieht vor, am Rande des Flugfelds und Columbiadamms ein Vergnügungsviertel mit dem Namen "Columbia-Strip" entstehen zu lassen. Eine Jury, zu der auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher gehört, hatte diesen Entwurf und elf weitere aus 80 Vorschlägen ausgewählt."

Wenn es stimmt, daß der Regierende nicht informiert war, was hier für eine Abstrusität präsentiert werden sollte, dann kann man nur fragen: In was für einer Stadt leben wir? Was kann jetzt noch kommen? Immerhin kam es im Senat zum Eklat, nachzulesen in der Morgenpost unter dem Titel:
Proteststurm gegen Nachnutzung Tempelhofs als Rotlichtviertel / Wowereit maßregelt Stadtentwicklungssenatorin.
Klaus Wowereit wird wörtlich zitiert: "Es ist einfach nur Quatsch"; SPD-Partei- und Fraktionschef Micheal Müller: "schlicht unsinnig"; der Tempelhofer Bausenator Bernd Krömer: "absurd". Der ganze Text: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article1018978/Berlin_braucht_keine_Reeperbahn.html

Von der gleichen Ignoranz gegenüber der Berliner Geschichte aber zeugt es, daß das gleiche Gespann (Bausenatorin Frau Junge-Reyer und Senatsbaudirektorin Frau Regula Lüscher) versucht, den völlig aus der Zeit gefallenen Entwurf für die neue Rathausbrücke durchzudrücken. Ohne Not wurde der Sachzwang der Ausschreibung der Bauleistung auf der Grundlage des veralteten Entwurfs geschaffen, obwohl klar war, daß es enorme Bedenken im parlamentarischen Raum gegen diesen Entwurf gab und gibt. Es wurde sogar seitens Frau Lüscher versucht, den Ausschuß dahingehend zu täuschen, als sei die Vergabe schon erfolgt. Die Vergabe ist noch nicht erfolgt. Die Anträge, die sich auf die Rathausbrücke beziehen, stehen erst am 9. Februar 2009 zur Abstimmung.

Die Rathausbrücke ist die wahrscheinlich älteste, auf jeden Fall die geschichtlich bedeutendste Brücke Berlins. Sie hat staatspolitisch und kunsthistorisch den Rang des Pont Neuf in Paris, der Karlsbrücke in Prag oder der Augustusbrücke in Dresden. Nachdem feststeht, daß das Humboldtforum in historischer Form kommt und das Nikolaiviertel in historisierender Form Tatsache ist, hat ein Entwurf, der sich noch am Palast der Republik orientiert, keine Berechtigung mehr. Das hat Frau Lüscher noch nicht verstanden. Sie schützt nun vor, eine Entschädigungszahlung (im niedrigen sechsstelligen Bereich) zu fürchten. Allerdings sollte sie auch dazu sagen, daß sie selbst und Frau Junge-Reyer diese (vielleicht) fällig werdende Entschädigungszahlung zu verantworten haben, weil sie durch die Veröffentlichung der Ausschreibung ohne Not die Fakten geschaffen haben, die sie jetzt so scheinheilig zu bedauern vorgeben.

Mit freundlichen Grüßen, im Auftrag der Arbeitsgruppe Rathausbrücke im Nikolaiviertel

Bitte gehen Sie – wenn Sie es irgend einrichten können – zu der Bürgerversammlung am Donnerstag, 22. Januar 2009, 18.00 Uhr, Haupthalle des Flughafens Tempelhof, oder/und sagen es weiter! Vielen Dank!