Freitag, 14. September 2012

KNÜPPELDICK


... lautet die Überschrift im Berliner Abendblatt.

Trotz bestem Willen: Das Geländer der Rathausbrücke wirkt unhistorisch
 
Anette Ahme ist entsetzt:
„Das Ganze ist so unüberbietbar
geschmack-, niveau- und maßstabslos
– ein Offenbarungseid,
für den man sich auf der Stelle
fremdschämen möchte.“ Dieses harsche Urteil, das die Kunsthistorikerin
abgibt, gilt der Rathausbrücke,
speziell dem Geländer
der Brücke.
Ihre Stäbe nämlich erinnern
an Knüppel oder Holzstöcke.
„Es handelt sich um Abgüsse
von Holzpfählen“, erläutert DanielaAugenstein,
Sprecherin von
Stadtententwicklungssenator
Michael Müller (SPD). „Architekt
Walter Noebel, der die Brücke
entworfen hat, sah noch ein
sachliches Geländer vor.“
Doch in einem zweiten Wettbewerb
„Kunst am Bau“ habe
sich dann der Schweizer Erik
Steinbrecher mit dem „Knüppelgeländer“
durchgesetzt.
Er
sagt von sich selbst, dass er sich
in seinen Arbeiten mit dem Vokabular
aus Architektur, Natur
und Alltag auseinander setzt.
„Die Idee hinter dem Geländer
ist, dass die Rathausbrücke einmal
aus Holz bestand“, so Daniela
Augenstein.
 
 
Anette Ahme, die an allen
Fronten für ein historisches
Berlin kämpft, kann darüber
nur den Kopf schütteln. „Als
ich damals aus dem Preistext
von den Knüppeln erfuhr, habe
ich gedacht, das sei eine kleine
Exaltiertheit, ein Witz, den man
bald wieder unter den Tisch fallen
lässt.“ Sie verweist darauf,
dass das im Krieg zerstörte Original
„die erste repräsentative
steinerne Brücke im nördlichen
deutschsprachigen Raum“ war.
„Und nun wird mit diesen geschmacklosen
Knüppeln an die
Zeit davor erinnert“, so Anette
Ahme fassungslos. Für noch absurder
hält sie allerdings dieAusführung
des Geländers.
Die Knüppel haben nämlich
beim Blick aufs Material nichts
mit Holz zu tun. Jeder einzelne
besteht im Inneren aus gewöhnlichen
Metallstäben, die mit Schaumrollen umklebt sind.
„Darüber wurden anschließend
so genannte Geländerstielumhüllungen
aus Aluminium montiert“, berichtet Daniela Augenstein.
„Es handelt sich dabei
um Halbschalen, die, wenn sie
zusammengesetzt sind, einen
Holzpfahl imitieren.“ Aus echtem
Holz sei dagegen der Geländerlauf.
  

Aber vielleicht gibt es ja doch einen historischen Bezug zwischen den Knüppeln und dem alten Berlin. Ein Spaziergang ins nahe gelegene Deutsche Historische Museum (DHM) bringt Aufschluss. Gleich im Foyer steht eine Statue aus dem Jahre 1887: die Allegorie „die Kraft“ von Bildhauer Reinhold Begas. Sie hält ein Holz in der Hand, das den Geländerstäben verblüffend ähnlich ist. Nur dass das Holz hier aus Marmor, nicht aus Aluminium besteht. Bleibt die Frage, wann die Rathausbrücke nun eröffnet wird. Daniela Augenstein scheint selbst nicht mehr daran zu glauben. „Wir haben die Hoffnung, dass es im Herbst, im Oktober, noch was wird“ sagt sie. Warum sich die Eröffnung abermals verzögert, verrät sie nicht.