Sonntag, 2. September 2012

Rathausbrücke als Knüppeldamm

Brückengeländer auf der Rathausbrücke-Baustelle
"Als im damaligen Preis-Text die Rede davon war, dass das Brückengeländer an den ersten "Knüppeldamm" erinnern sollte, indem die Geländerstäbe Knüppeln nachgeformt werden sollen, hat man gedacht, das sei eine kleine Exaltiertheit, ein Witz, der/die dann wohl doch sowieso nicht zum Tragen kommen würde.
Und nun das! Aus der vermeintlich nicht ernst zu nehmenden Ankündigung wurde Wahrheit!!!
Eine Bekannte sagte zu mir: "Das ist die größte Geschmacklosigkeit, die mir jemals untergekommen ist!"
Es ist nicht nur eine Geschmacklosigkeit, es ist auch eine vollkommene Verdrehung der Wertigkeiten, der Geschichte, Preußens und Berlins.

Zur Erinnerung: Immerhin handelt es sich hier um die erste repräsentative steinerne Brücke im nördlichen deutschsprachigen Raum. Immerhin hatte der erste preußische König diese Brücke zur Unterstreichung des neuen Königtums bauen lassen. Immerhin erinnerte diese Brücke an den pont neuf in Paris, die zu jener Zeit das atemberaubende architektonische Vorbild für die ganze Welt war. Immerhin war der königliche Sohn so respektvoll gegenüber seinem Vater, dem Großen Kurfürsten (der das Lehen Preußen dauerhaft gewonnen hatte), dass er gemäß dem römischen Vorbild der Reiter-Statue Mark Aurels eine bis heute weltgeltende Statue vom damaligen wohl besten Bildhauer, Andreas Schlüter, schaffen ließ und auf die Brücke stellte, genau so, dass der Vater zum Erkerzimmer des Sohnes im Rundturm des neuen Königschlosses schaute.*

Immerhin haben die Zeitgenossen nach der barocken Umgestaltung des Zentrums bass erstaunt gesagt, die Umwandlung der Holz-Stadt in eine Stein-Stadt schönster Ausprägung käme einem Weltwunder gleich. All dies negierend soll jetzt mit geschmacklosen Knüppeln an die Zeit davor erinnert werden. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Auch die Bürgerzeit Berlins ist zu ästimieren. Dennoch ist die Entwicklung des Vorbildstaates Preußen mit allen Höhen und Tiefen in Berlin vorgenommen worden und spiegelte sich in seinen Bauten wieder. Das zu negieren heißt geschichtsblind zu sein. Das Ganze dann so unüberbietbar geschmack-, niveau- und maßtstabslos zu präsentieren kommt einem Offenbarungseid gleich, für den man sich auf der Stelle fremdschämen möchte."

*und immerhin: Dieses Reiterstandbild ist das Beste von dem Wenigen, was wir von Andreas Schlüter wirklich ganz unzerstört und als Original bis heute besitzen, und bis heute hat sich der provisorische Nachkriegs-Standort, der nur der Tatsache geschuldet war, dass man das Standbild im Westen aufgefunden hat, gehalten.

Berlin, den 2. September 2012, Annette Ahme, Vorsitzende des Vereins "Schöne Mitte - Schöne Stadt e. V." (i. Gr.)